Die Sanierung von Unternehmen soll insgesamt erleichtert werden. Das ESUG trat am 01. März 2012 in Kraft und ist ein wichtiger Schritt für einen potenziellen Neustart für Insolvenzgefährdete Unternehmen im rahmen der Sanierung. Bisher konnte man in Deutschland die Unternehmensinsolvenz mit der faktischen Liquidation des Unternehmens gleichsetzen, da das Restvermögen zur quotalen Bedienung von Gläubigerverbindlichkeiten genutzt wurde. Das ESUG schafft durch seine neuen Regelungen die Grundlage für eine neue Insolvenzkultur bzw. mehr erfolgreiche Sanierungen in Deutschland, die sich an international bereits bewährte Vorgehensweisen annähert. Insolvenzgefährdete Unternehmen erhalten damit erstmals eine reelle Chance die faktische Liquidation zu vermeiden und sich zu sanieren. Sowohl Schuldner als auch Gläubigerinteressen werden durch das ESUG nachhaltig gestärkt:
- Durch das Schutzschirmverfahren erhält der Schuldner die Möglichkeit unter der Aufsicht eines Verwalters innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das in einem anschließenden Insolvenzplan umgesetzt werden kann/soll. Das ESUG gibt hierbei den Spielraum für Sanierungen, dass Gerichte den vom Schuldner vorgeschlagenen Verwalter (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc.) als vorläufigen Sachverwalter einsetzen können und sollen. Zudem können Anträge gestellt werde, bei denen es das Gericht untersagt, innerhalb dieses dreimonatigen Zeitraums Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu betreiben und bestehende Zwangsvollstreckungen können ausgesetzt werden. Es wird im Schutzschirmverfahren auch kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Schuldner kann weiterhin frei über sein Vermögen verfügen.
- Im Rahmen des Planverfahrens können bestehende Gläubigerforderung in Geschäftsanteile umgewandelt werden (Debt-Equity-Swaps), allerdings nur mit Zustimmung der Gesellschafter des Schuldners. Dabei bringen Gläubiger eines Unternehmens, nach einer vorangegangenen Kapitalherabsetzung, ihre Forderungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung als Sacheinlage in das Unternehmen ein. Hier geht m.E. das ESUG leider nicht weit genug, da es nicht möglich ist den Debt-Equity-Swap gegen den Altgesellschafterwillen durchzusetzen (wg. übermäßigen Obstruktionsrechten der Altgesellschafter) und auch der Gläubiger kann nicht dazu gezwungen werden Forderungen in Eigenkapital umzuwandeln. D.h. die Erfolgschance des Debt-Equity-Swaps hängt von der Kooperationsbereitschaft von Altgesellschafter und Gläubigern ab. Zudem verbessert sich die Umsetzbarkeit des Planverfahrens, da moderate Hürden eingezogen wurden, so dass einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Insolvenzplans verhindern können.
- Das ESUG stärkt die Gläubigerautonomie, indem Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist und die eine gewisse Marktbedeutung haben (Umsatz, Mitarbeiteranzahl etc.), die Möglichkeit erhalten, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. Der Ausschuss hat ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters sowie der Anordnung der Eigenverwaltung. Wenn der Ausschuss die Eigenverwaltung befürwortet, sollen die Gerichte an diese Entscheidung gebunden sein. Dies gilt auch für die vorgeschlagene Person des Insolvenzverwalters, die – eine einstimmige Einigung des Ausschusses auf einen Insolvenzverwalter vorausgesetzt – vom Gericht nur dann abgelehnt werden darf, wenn dieser offensichtlich ungeeignet ist.
- Durch den Vollstreckungsschutz nach Verfahrensaufhebung soll vermieden werden, dass Forderungen, die nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens angemeldet wurden, zu einem späteren Zeitpunkt die Finanzplanung stören bzw. den Insolvenzplan gefährden. Hierzu wurde ein Vollstreckungsschutz nach der Verfahrensaufhebung installiert und Gerichte können dem Schuldner diesen Vollstreckungsschutz gewähren. Zudem wurden die Verjährungsfristen für verspätete Forderungen (also solche, die nicht zum Abstimmungstermin angemeldet worden waren) deutlich auf ein Jahr verkürzt.
Abschließende Bewertung: insgesamt ein guter Ansatz das Insolvenzrecht stärker mit dem Gesellschaftsrecht zu verweben. Es geht aber leider nicht weit genug, da Kompetenzstreitigkeiten der beteiligten Organ, Gruppen und Gerichte vorprogrammiert sind. Ob eine Sanierung damit leichter möglich ist, bleibt weiterhin fraglich und kann erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließend geklärt werden, wenn geprüft werden kann, ob dieser Ansatz des Gesetzgebers wirklich zu einer höheren Anzahl von erfolgreichen Sanierungen geführt hat.
Dirk Stader