Nach den Bilanzierungsgrundsätzen des Handelsgesetzbuches kann Genussrechtskapital (und soweit verbrieft – entsprechend Genussscheinkapital) je nach Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen entweder Fremdkapital oder Eigenkapital darstellen. Für die Qualifizierung als bilanzielles Eigenkapital ist in erster Linie die Gläubigerschutzfunktion des Jahresabschlusses von Bedeutung und demzufolge die Frage, ob das überlassene Genussrechtskapital eine ausreichende Haftungsqualität aufweist und der Gesellschaft längerfristig zur Verfügung steht. Nach der HFA-Stellungnahme 1994[1] des IdW kommt Genussrechtskapital dann Eigenkapitalcharakter zu, wenn kumulativ die folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Nachrangigkeit: Das Genussrechtskapital muss gegenüber Forderungen von Drittgläubigern nachrangig sein, d.h. im Konkurs- oder Liquidationsfall darf ein Rückzahlungsanspruch der Genussrechtsinhaber erst nach Befriedigung aller anderen Gläubiger, deren Kapitalüberlassung nicht den Kriterien für ein Eigenkapitalausweis genügt, geltend gemacht werden können.
- Erfolgsabhängigkeit der Vergütung: Die Vergütung für die Überlassung des Genussrechtskapitals muss unter der Bedingung stehen, dass sie nur aus dem ausschüttungsfähigen Jahresüberschuss geleistet werden darf. Eine erfolgsunabhängige Mindestvergütung führt grundsätzlich zu einer Qualifizierung als Fremdkapital. Möglich ist jedoch die Vereinbarung eines Festzinses, solange dieser unter der Bedingung steht, dass ein Zinsanspruch nicht entsteht, soweit ein Bilanzverlust oder Jahresfehlbetrag besteht oder durch eine Zinszahlung entstehen würde. Unschädlich ist die Einräumung eines Nachholungsanspruches für ausgefallene Zinszahlungen, sofern diese in Folgeperioden aus frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteilen vor der Bedienung anderer Eigenkapitalgeber nachgeholt werden kann.
- Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe: Eigenkapitalqualität kommt Genussrechten nur dann zu, wenn sie bis zur vollen Höhe am Verlust der Gesellschaft teilnehmen. Das heißt, das Genussrechtskapital muss spätestens im Zeitpunkt seiner Rückzahlung in dem Umfang an den aufgelaufenen Verlusten teilnehmen, in dem diese Verluste nicht von Eigenkapitalbestandteilen getragen werden können, die gegen Ausschüttungen nicht besonders geschützt sind (zum Beispiel dem ausschüttungsfähigen Teil des Jahresüberschusses). Eine Verrechnung eingetretener Verluste mit Bestandteilen des bilanziellen Eigenkapitals, das gegen Ausschüttungen besonders geschützt ist (zum Beispiel das Grundkapital der Gesellschaft), darf erst erfolgen, wenn das Genussrechtskapital durch Verlustverrechnung vollständig aufgezehrt ist.
- Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung: Eine Qualifizierung als Eigenkapital kommt nur dann in Betracht, wenn das Genussrechtskapital für einen längerfristigen Zeitraum überlassen wird, während dessen sowohl für den Genussrechtsemittenten als auch den Genussrechtsinhaber die Rückzahlung ausgeschlossen ist. Die HFA-Stellungnahme enthält keine konkrete Bestimmung einer Mindestlaufzeit, sodass diese Frage in der Literatur heftig umstritten ist. In der Kommentarliteratur wird teilweise gefordert, dass die Laufzeit grundsätzlich mindestens 25 Jahre betragen müsse[2]. Andere Stimmen in der Literatur lassen 15 bis 20 Jahre genügen[3]. In der Praxis wird Genusscheinkapital häufig bereits bei niedrigeren Mindestlaufzeiten der Genussscheine (zwischen 5 und 10 Jahren) als Eigenkapital bilanziert[4]. Ferner wird in der Literatur in Anlehnung an § 10 Abs. 5 KWG überwiegend vertreten, dass ein Kündigungsrecht des Genusscheins der Annahme der Längerfristigkeit dann nicht entgegensteht, wenn die Genussrechte frühestens nach fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren gekündigt werden können[5].
Dirk Stader
[1] HFA-Stellungnahme I/1994 WPg 1994, 419.
[2] Adler/Dürig/Schmaltz, Rechnungslegung, § 266 HGB Rn. 193ff.
[3] Emmerich/Naumann Wpg 1994, 683.
[4] Vgl. die Erhebung von Kütting/Kessler/Harth BB 1996, Beilage 4, S. 12ff.
[5] Küting/Kessler DB 1994, 2103, 2112 f.; Wengel DStR 2001, 1316, 1321; ähnlich Lutter DB 1993, 2444 f.